Text von Heike Vossen, für Magazin Freiraumgestalter 1/2020

Anfangs noch als Einzelkämpferin, mittlerweile mit Team, plant Claudia Blaurock urbane Freianlagen und hat sich dabei zur Expertin für Kindergartenplanung entwickelt. Auf teils unkonventionellen Wegen schafft sie es, das starre Vergabeverfahren aufzubrechen, damit auch der beste Anbieter den Zuschlag erhält.

Über Mund-zu-Mund-Propaganda kamen die ersten kleinen Projekte, die nach und nach größer wurden. „Anfangs wurde ich über Empfehlungen mit in laufende Projekte geholt“, erinnert sich Claudia Blaurock, die als Inhaberin das gleichnamige Landschaftsarchitekturbüro in Dresden leitet. „Damals war das noch möglich, heute wäre das schwieriger.“ Rund 40 % der Beauftragungen für die Freianlagen von Kindergärten und Schulen laufen heute über Wettbewerbe, der Großteil ergibt sich über Folgeaufträge und Referenzen. Auch Beteiligungsverfahren nehmen zu, hier punktet Blaurock Landschaftsarchitektur aus der Erfahrung vieler Kleinprojekte, bei der die Planung immer in Kontakt zum Nutzer blieb. „Das war für uns eine gute Schule.“

Blaurock arbeitet seit 20 Jahren in der Branche. Anfangs startete sie allein, ab 2008 fünf Jahre lang mit einem Geschäftspartner, danach wieder als alleinige Inhaberin von Blaurock Landschaftsarchitektur. Heute hat ihr Unternehmen fünf Mitarbeiter. Mittlerweile sind die Projekte größer als zu Beginn, wie die Platzgestaltung Bönischplatz in Dresden, die mit einer intensiven Beteiligung einherging: „Vonseiten der Stadtplanung hätte keiner gedacht, dass die Anwohner freiwillig auf Parkplätze verzichten würden – wir haben es aber dennoch versucht und daran geglaubt“, sagt Blaurock. Der alte Platz war komplett zugeparkt, die Aufenthaltsqualität gleich null. „Wir wollten dem Platz seine Würde zurückgeben und konnten damit die Anwohner überzeugen.“

Seit Beginn ihrer ersten Projekte 1999 plant und baut Blaurock mit großem Spaß auch intensive Dachbegrünungen. „Mir ist wichtig, dass die Menschen diese besonderen und geschützten Räume in der Stadt auch nutzen können.“ Wie im Quartier 1 in Pirna oder der Residenz am Postplatz in Dresden. Bei Letzterem sind die Innenhöfe der sanierten und erweiterten innerstädtischen Wohnanlage zugleich die Tiefgaragendächer. Entsprechend mussten die Pflanzfelder erhöht werden, damit darin Sträucher und Bäume wachsen können. Die neue Vegetation brachte schnellen Erfolg: Innerhalb einer Woche siedelte sich eine wahrnehmbare Vogelpopulation an und bereits vier Wochen nachdem die Bäume gepflanzt wurden, ein Turmfalkenpaar. Falken sind in Städten besonders beliebt, da sie Tauben vertreiben. Der schnelle Erfolg überzeugte: Kurz nach Fertigstellung nahm das Grünprojekt auch schon als eines von 14 auserwählten Vorzeigeprojekten an der Ausstellung „Prima Klima. Das ist Landschaftsarchitektur“ teil, die der BDLA Sachsen im Sommer 2019 zeigte. Die Ausstellung präsentierte zukunftsfähige Freiraumprojekte, die das Mikroklima in Städten und Gemeinden im Hinblick auf den Klimawandel verbessern.

Ein weiteres prämiertes Projekt ist die Grünanlage Hellerau, die zum Gesamtensemble der Gar- tenstadt Hellerau gehört. Die Freianlage wurde vor drei Jahren umfänglich saniert, das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie vergab für deren Neugestaltung im Wettbe- werb „Gärten der Stadt“ einen Sonderpreis. Der Preis, der im dreijährigen Turnus vergeben wird, zeichnet die Inwertsetzung öffentlichen Grüns in den sächsischen Kommunen aus.

Die Auseinandersetzung mit Pflanzen und Materialien, die Lust am Grün, benennt Blaurock als einen weiteren zentralen Schwerpunkt ihres Planungsbüros: Der spielerische Umgang bei den Verwendungsmöglichkeiten sei die Kür, die Spaß macht. „Hier setzen wir Zeit rein und kämpfen für die Flächen, eine bessere Qualität und die Einbindung der Hausmeister, damit die Pflege klappt.“ Damit nicht nochmals die gleiche Misere passiert wie in einem früheren Projekt, bei dem der Haus- meister schön gewachsene mehrstämmige Felsenbirnen auf Stock geschnitten hatte. Pflegegänge mit Facheinweisungen erachtet Blaurock daher als ebenso wichtig wie die Pflanzen selbst. „Worüber wir sehr ärgerlich werden, ist, wenn an den Pflanzen gespart wird.“

Planen für die Kleinsten

Eine große Leidenschaft des Planungsbüros steckt in der Planung von Kita-Außenanlagen. Ein gelungenes Beispiel dafür ist die Kita Trachenberger Platz in Dresden, ein Ort für unter Dreijährige. „Es ist eine wunderschöne Aufgabe, sich in die Perspektive der Kleinsten zu versetzen.“ Wichtig dabei sei, einen fassbaren Raum zu schaffen, der sich erst peu à peu erschließe je nachdem, wie mutig die Kleinen sind und bereit sind, sich das Gelände anzueignen. Die einzelnen Gartenräume sind entsprechend kleinteiliger. Häufig plant das Büro einen geschützten Raum direkt an der Terrasse, der wie ein Nest den Anfangsort bildet, aus dem die Kinder sich rauswagen, aber auch jederzeit wieder zurückkönnen. „Anfangs sind die Kleinen ganz vorsichtig, die Ersten wagen sich dann Hand in Hand raus aus dem schützenden Nest und gehen stiften“, beschreibt sie ihre Beobachtungen. Bei dieser Kita war den Planern wichtig, dass das Gelände sich als kleine grüne Lunge etabliert und mit Klein- und Krabbeltieren lebendig bleibt. Letzteres deshalb, weil die Kleinkinder noch einen Lupen- blick haben, der sich erst später verliert. Die Kita selbst liegt zentral in der Stadt an einem überhitzten Platz – als Gegenstück bietet der Garten Schatten und Rückzug durch kleinteilige Pflanzenräume, eine Waldecke sowie Hütten und Tunnel.

Vergabe als Wettbewerb

Früher entschied Blaurock Landschaftsarchitektur die Auswahl des Spielgeräteherstellers häufig über ein konkurrierendes Wettbewerbsverfahren, bei dem jeder Hersteller seine Ideen einbringen konnte und entwickelte eigens dafür eine Entscheidungsmatrix für die Jury. Die Ergebnisse waren in der Regel weitaus kreativer, vielfältiger und besser, als über ein klassisches Vergabeverfahren, bei dem der Planer engere Grenzen setzt und der Auftraggeber sich meist für den Billigsten entscheidet, der aber nicht unbedingt der Günstigste ist.

Nachdem die eVergabe verpflichtend eingeführt wurde, stiegen die Hürden für dieses Wett- bewerbsverfahren: Das Hochbauamt Dresden erklärte es zunächst als nicht kompatibel mit der eVergabe. Erst durch wiederholtes Nachfragen beim Vergabeamt wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Ähnlich der Vorgangsweise bei „Kunst am Bau“ wurde das Los „Spielgeräte“ einem Wettbewerbsverfahren unterzogen. Mit einer fixen Bausumme war es vergabekonform. Vorgabe der Landschaftsarchitekten war das Raumprogramm und das Material „Holz“, ansonsten durften die Spielgerätehersteller ihre Kreativität und ihr Know-how ausleben.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Jury entschied sich für das Atelier für Holzgestaltung des Bildhauers Michael Grasemann aus Dresden. Als Bewertungshilfe der eingereichten anonymisierten Entwürfe – teils Modelle, teils Pläne – diente eine selbst entwickelte Matrix, die unterschiedlich gewichtete bei den Punkten Leitidee, Vielfalt (je 25 %), Altersgruppenangebot, Sonnenschutz, Garantie (je 10 %) und Anordnung der Flächen in die Topografie (20 %). „Die Ergebnisse sind besser und der Auftraggeber erhält mehr fürs Geld“, ist sich Blaurock bei dem Verfahren sicher. Das fixe Budget ermöglicht den Herstellern Gestaltungsspielraum, ohne dass sie befürchten müssen, gegenseitig unterboten zu werden. Planung und Bau des gesamten Gartens überzeugten auch die Jury des Deutschen Spielraum-Preises 2019: Das Projekt wurde nominiert und erhielt einen Sonderpreis.

Über die GALK-Liste hinaus

Das Pflanzenthema vertiefend, pointiert Blaurock klar: „Im städtischen Bereich habe ich keine Hemmungen, auch Exoten zu nehmen. Da greife ich in die komplette Palette, die möglich ist.“ Gerade Sonderstandorte wie Dachgärten erlauben auch empfindlichere Pflanzen, die sonst Schwierigkeiten hätten. So wählte Blaurock für den Innenhof am Postplatz mediterrane Pflanzen, aber auch asiatische und nordamerikanische, um den Ort ganzjährig für alle Sinne zu stärken. „Nur heimische Pflanzen ist meist nicht gut es ist beständiger, andere reinzumischen, da sich Schädlinge nicht so schnell ausbreiten können.“ Unterstützung bei der Pflanzenauswahl findet das Büro bei der Gartenleitung des Forstbotanischen Gartens Tharandt, Professor Andreas Roloff und Dr. Ulrich Pietzarka. „Die Empfehlungen sind eine tolle Ergänzung für unser Schaffen. Die GALK-Liste ist mir zu starr“, sagt die Landschaftsarchitektin. Sie regt an, bei Straßenbaumpflanzungen auch nicht mehr einzig auf eine Sorte zu setzen, sondern auf vier, um diese zu durchmischen. Das Ergebnis ist in der Regel weitaus stabiler und ein Mehrwert für die Vogelwelt.

Für Kindergärten plant das Büro häufig Naschpflanzen wie Beerensträucher und Walderdbeere – sofern diese auch gewünscht sind und entsprechend auch gepflegt werden. Ebenso setzen sie auf viele Kräuter wie Zitronenmelisse, Lavendel und Rosmarin. Bei Kitas und Kindergärten ver- sucht Blaurock den Versiegelungsgrad zu senken und so viel Wasser wie möglich am Ort zu belassen.„Zisternen haben sich in Kitas nicht bewährt“, sagt sie,„daher entwässern wir viele Flächen direkt und über offene Rinnen.“ Auch für Matschanlagen brauche es keine Zisternen: Diese sollten immer an Frischwasser angeschlossen werden, da das System recht fragil sei, so die Empfehlung. Anstelle einer Zisterne, deren Handhabung und Entnahme oft als kompliziert erachtet würde, empfiehlt Blaurock eine Bewässerungsanlage mit Fühler und Zeitschaltuhr. Denn ohne Bewässerung der Sträucher und Bäume würden diese die extrem trockenen Sommer in Dresden nicht überleben, ist sich Blaurock sicher. „Denn Rasen opfere ich gerne als erstes, nicht aber Sträucher und Bäume“, priorisiert sie. Diese Einstellung festigt sich zusehends in Fachkreisen, ist aber der breiten Bevölkerung noch schwer zu vermitteln.

Kita Saalhausener Straße

Blaurock verbrachte vor einiger Zeit zwei Jahre in Kalifornien und erlebte damals schon die Dis- kussion um das knappe Gut Wasser. Viele Gartenbesitzer verbannten den bewässerungsintensiven Rasen aus ihren Vorgärten und legten diese komplett neu an, vornehmlich mit hitzeverträglichen und Wasser speichernden Sukkulenten. Ein Ansatz, der sicher auch bald in den deutschen Vorgartendiskussionen aufkommen wird.